Abschiebung ist die Entfernung eines zur Ausreise verpflichteten Ausländers aus dem Hoheitsgebiet eines Staates, sofern er der Ausreisepflicht nicht nachkommt. In der BRD regelt das jeweils gültige Ausländergesetz in Verbindung mit dem Strafvollzugsgesetz und dem Freiheitsentziehungsgesetz Abschiebung und Abschiebehaft. Zur Vorbereitung und Sicherung der Abschiebung kann in besonderen Fällen gerichtlich Abschiebehaft angeordnet werden. Zuständig in Bremen ist für die Abschiebung das Stadtamt.
Unterbringung und Betreuung der Abschiebehäftlinge wurde der Polizei übertragen. Gegen die Abschiebung nicht anerkannter Asylbewerber kam es in den 80er und 90er Jahren immer wieder zu öffentlichen Protesten von Menschenrechtsgruppen vor der Ostertorwache.
Als im Verlauf der siebziger Jahre die Dienststelle Gefangenentransport" im Gefangenenhaus mit der Unterbringung von Abschiebehäftlingen beauftragt wurde, war dieses Haus weder baulich noch von der Betreuung der Inhaftierten her für eine längere Unterbringung derselben vorbereitet. Eher auf "Eintagsgäste" eingestellt, traf man jetzt auf Menschen, die keine Strafgefangenen waren und deren Verschulden oftmals nur darin lag, gegen die Aufenthaltsbestimmungen der Bundesrepublik verstoßen oder sich der Konsequenzen der Ablehnung ihres Asylgesuches durch Untertauchen entzogen zu haben.
Für die Abschieber und Abschieberinnen, so der polizeiliche Sprachgebrauch, die teilweise bis zu mehreren Monaten auf ihre Abschiebung warten mussten, galt es in der Folge, menschen-würdige Zustände im Gefangenenhaus herbeizuführen: sie von den übrigen Gefangenen räumlich zu trennen, Auf- und Umschlusszeiten sowie den Freigang im Hof großzügig zu regeln, in der Verpflegung auf die kulturellen und religiösen Speisegebote Rücksicht zu nehmen, für ausreichende Freizeitangebote, wie Spiele, Radio und Zeitungen zu sorgen und anderes mehr.
Obwohl sich die Bediensteten grundsätzlich um eine Verbesserung der Situation im Polizeigewahrsam bemühten, für die oft noch minderjährigen Asylbewerber sogar Kleidung und Tabak besorgten, und sich zwischen ihnen und den Abschiebern mitunter sogar verständnisvolle und freundschaftliche Beziehungen entwickelten, blieben die Zustände in der Abschiebehaft - wie immer wieder amtlich festgestellt und öffentlich gebrandmarkt - unbefriedigend.
Das Verhältnis zwischen den Bediensteten und den Abschiebehäftlingen war nicht immer spannungsfrei, es kam zu Fluchtversuchen und zu Flucht, zu Selbstmordversuchen und zu Brandstiftungen, Verzweiflungstaten, um auf die prekäre grundsätzliche und persönliche Situation aufmerksam zu machen. 1994 gründete sich die Asylgruppe Ostertor zur ehrenamtlichen Betreuung von Abschiebehäftlingen in Sicherungshaft. 1995 entschloss sich der Senator für Inneres, die Abschiebehaft im Folgejahr aufzulösen. Doch das Ende kam früher. Am 26. Januar 1996 legte ein verzweifelter Abschiebehäftling in seiner Zelle Feuer. Ein großer Teil des oberen Geschosses brannte aus. Die Insassen mussten verlegt werden. Die verrußte Ostertorwache war unbrauchbar geworden.
Die grundsätzliche Frage, was aus dem Gefangenenhaus werden solle, war bereits im Jahre 1992 durch Senatsbeschluss vom 18. August über die "Umnutzung der nördlichen Ostertorwache für kulturelle Zwecke" gefallen: Überlassung des Gebäudes nördliche Ostertorwache an die Wilhelm Wagenfeld Stiftung in Gründung, das Design-Zentrum Bremen und die Gesellschaft für Produktgestaltung. Am 15.9.1993 stimmte die Bremische Bürgerschaft der Gründung der Wilhelm Wagenfeld Stiftung zu: Betreuung des Nachlasses des 1900 in Bremen geborenen international renomierten Bauhaus-Schülers Wilhelm Wagenfeld (†1990), der zu den bedeutendsten Pionieren industrieller Produktgestaltung in Deutschland zählt. Die Finanzierung der notwendigen Sanierung und Umbauten wurde durch die Waldemar Koch Stiftung sowie durch öffentliche Mittel sichergestellt. Die Ende 1993 aufgenommenen Planungen sahen vor, einen Teil der Ostertorwache im Originalzustand zu belassen und in ihm eine Dokumentationsstätte zur Geschichte des Gefangenenhauses einzurichten.
Das eigentliche Problem blieb zunächst, geeignete Ersatzräume für das Polizeigewahrsam zu schaffen. Die vorgesehene Unterbringung in der Kaserne in der Vahr verzögerte sich jedoch von Jahr zu Jahr. Die Bremer Kulturszene reagierte zum Teil gereizt auf die beabsichtigte Umwidmung des ehemaligen "Gestapogefängnisses" zum Wilhelm Wagenfeld Haus. Nochmals erhob die Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten Ansprüche auf eine kulturelle Nutzung des Gebäudes für eine Dauerausstellung zu "Widerstand und Verfolgung in Bremen 1933-1945". Im Herbst 1996 begannen schließlich die Bau- und Sanierungsarbeiten.
Eineinhalb Jahre später war alles fertig. Am 20.3.1998 übergab die Senatorin für Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport das umgebaute und im makelosen Weiß erstrahlende Wilhelm Wagenfeld Haus seinen neuen Nutzern. Vier Wochen später eröffnete es mit der Ausstellung "Wilhelm Wagenfeld. Wegbereiter der Moderne" seine Pforten.
Hartmut Müller, Mai 2002